Veranstaltung: | Mitgliederversammlung KV Dresden, 17. Juni 2020, 19.30 Uhr |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 2.1. Leitlinien für eine zukunftsfähige Haushaltspolitik in der Landeshauptstadt Dresden |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Mitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 17.06.2020 |
Eingereicht: | 26.06.2020, 14:49 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Der Krise mit Nachhaltigkeit begegnen - Leitlinien für eine zukunftsfähige Haushaltspolitik für Dresden
Beschlusstext
Ausgangslage
Die Bekämpfung der Corona-Pandemie führt zu einschneidenden Veränderungen in den
Öffentlichen Haushalten. Unerwartete Mehrausgaben und einschneidende
Verminderungen der Einnahmen werfen aktuelle Haushaltspläne inkl.
mittelfristiger Finanzplanungen über den Haufen. Bund und Länder sowie die
Europäische Union haben sehr entschlossen auf diese veränderten Bedingungen mit
gigantischen Hilfsprogrammen reagiert und wollen mit üppigen kreditfinanzierten
Konjunkturprogrammen der Krise begegnen.
Die kommunalen Finanzen rücken bei diesen Überlegungen gerade jetzt in den
Fokus, schließlich sind kommunale Investitionen und die Sicherung der sozialen,
kulturellen und urbanen Infrastruktur zentrale Herausforderungen der aktuellen
Krise.
Nach der aktuellsten Schätzung der Kämmerei ergeben sich folgende
Mindereinnahmen (gegenüber der Mittelfristigen Finanzplanung 2019):
Gewerbesteuer 2020-23 ca. 240 Mio €
Einkommenssteuer 2020-23 ca. 93 Mio €
Allg. Schlüsselzuweisungen 2020-23 ca. 105 Mio €
Invest. Schlüsselzuweisungen 2020-23 ca. 17 Mio €
Insges. Mindereinnahmen 2020-23 ca. 455 Mio €
Hinzu kommen erhebliche Mindereinnahmen allein für 2020 (z.B.
Beherbergungssteuer, Parkraumbewirtschaftung, Eintrittserlöse) und Mehrausgaben
(z.B. Städt. Klinikum, KdU, Soforthilfen, Testungen, Personalkosten) in Höhe von
mindestens 57 Mio €.
Darüber hinaus sind die Auswirkungen für die Städtischen Unternehmen (vor allem
jene, die im Querverbund unter dem Dach der TWD wirken) noch nicht final
absehbar.
Trotz des beschlossenen Schutzschirms des Freistaates und umfangreicher
Maßnahmen des Bundes, mit denen die Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer und
die erwarteten Mehrausgaben bei den Kosten der Unterkunft kompensiert werden
sollen, entstehen Finanzierungslücken, die vor allem ab dem Jahr 2021 neue
Haushaltsstrategien erfordern. Unter Einbeziehung aller bekannten Maßnahmen des
Bundes und des Freistaates ist mit einem Finanzierungsdefizit bis 2023 von ca.
300 Mio € zu rechnen.
Der Freistaat hat anerkannt, dass die Einnahmelücken und Ausgabensteigerungen
nicht mit den geltenden haushausrechtlichen Instrumenten und Regulierungen zu
lösen sind und hat deshalb für die Kommunen die Möglichkeiten der Finanzierung,
auch über höhere Kassenkredite, erweitert.
Für eine nachhaltige Haushaltspolitik in Dresden
Die Finanzierungslücken sollen nach dem Willen des Oberbürgermeisters
größtenteils durch Sparmaßnahmen in den nächsten Haushalten und durch weitere
Hilfen von Bund und Land kompensiert werden. Demnach sollen alleine im nächsten
Doppelhaushalt 2021/22 jährlich über 100 Mio € Einsparungen realisiert werden.
Nach gegenwärtigem Stand will die LHD am stickten Verbot der Hauptsatzung einer
Nettokreditaufnahme festhalten.
Bündnis 90 / Die Grünen vertreten haushaltspolitisch einen klaren,
verantwortungsvollen und nachhaltigen Kurs. Für eine langfristige Entwicklung
Dresdens ist es schädlich, die Wirtschaftskrise durch pauschale
Ausgabenkürzungen und Verschiebungen von Investitionen zu verschärfen. Dadurch
werden gewachsene Strukturen zerstört und ein wirtschaftlicher und sozialer
Abwärtssog befördert. Dresdens Anziehungskraft für Unternehmen, Fachkräfte und
Tourist*innen basiert auch auf einer guten Bildungsstruktur, einer vielfältigen
Kulturlandschaft und nicht zuletzt eines hohen Freizeitwertes für
Einwohner*innen und Gäste. Wir können es uns nicht leisten, diese
Standortvorteile durch die Pandemie zu gefährden.
Gerade in der Krise muss die öffentliche Hand verlässlich und weitblickend
agieren und dabei sowohl die Daseinsvorsorge der Bürger*innen in den Fokus
nehmen als auch die enormen Herausforderungen durch Zukunftsinvestitionen
sicherstellen. Gefahren wie der Klimawandel sind für die Stadtkasse größer als
die jetzigen der Corona-Pandemie. Insbesondere Maßnahmen zur CO2-Einsparung und
zur Klimawandelanpassung sind zur Schadensvermeidung essentiell und dulden
keinen Aufschub.
Davon unbenommen sind eine sparsame Haushaltsführung und Priorisierungen bei den
Ausgabenentscheidungen unvermeidlich. Nicht alle geplanten Vorhaben werden sich
in den ursprünglich vorgesehenen Zeitrahmen realisieren lassen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden der enormen Herausforderung durch die Coronakrise
mit folgenden Grundsätzen begegnen.
- Wir lehnen Sparhaushalte mit pauschalen Leistungseinschränkungen für die
Bürger*innen und zu Lasten von notwendigen Investitionen in Bildung,
Klimaschutz etc. ab, ohne die Notwendigkeit zu verkennen, dass Prioritäten
neu verhandelt werden müssen.Klimaschutz und Klimawandelanpassung dulden keinen Aufschub. Der Stadtrat
hat sie per Beschluss zu Aufgaben von höchster Priorität für die
Daseinsvorsorge erklärt. Deshalb müssen die dafür notwendigen
Investitionen im Haushalt trotz der Folgen der Coronakrise unbedingt
abgesichert werden.
- Die bisherige Förderpraxis bei kulturellen, sozialen und Stadtteilaufgaben
muss weitestgehend beibehalten werden. Kommunale Infrastruktur - auch bei
Freien Trägern - muss auf dem bestehenden Niveau gesichert werden.
- Die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung darf nicht durch
einschneidende Kürzungen bei den Personalausgaben gefährdet werden.
- Besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Branchen (Tourismus,
Veranstaltungen, Gastronomie, Freizeit) muss mit einem Sicherungskonzept
auch kommunal geholfen werden.
- Beschlossene Investitionen dürfen nicht alleine aus Finanzierungsgründen
in die Zukunft verschoben und notwendige Klimaschutzmaßnahmen, z.B. durch
Investitionen in die Radverkehrsinfrastruktur müssen vorgezogen werden.
- Transparenz und Haushaltswahrheit müssen durch ein aktives und zeitnahes
Monitoring der tatsächlichen Finanzsituation unter aktiver Einbindung des
Stadtrates sicher gestellt werden. Deshalb sind bis auf weiteres auch
Jahreshaushaltssatzungen aufzustellen.
- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen Haushaltsperren als ein Mittel der alleine
durch die Verwaltung vorgenommenen Haushaltsbewirtschaftung ab.
- Die Coronakrise und ihre mittelfristigen Finanzierungsauswirkungen lassen
sich nicht im Rahmen der konventionellen Haushaltspolitik Dresdens mit dem
Verbot einer Nettokreditaufnahme lösen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich
deshalb für die Bildung eines Corona-Sonderfonds ein, mit dem
kapitalmarktfinanziert die Auswirkungen der Krise in den nächsten fünf
Jahren abgefedert werden und eine flexible Rückführung der Mittel
ermöglicht wird. Dieses Ziel ließe sich auch mit der Beteiligung Dresdens
an einer auf Landesebene einzurichtenden „Landeskasse“ erreichen.
- Die Investitionsfähigkeit städtischer Unternehmen muss gesichert bleiben
und die Finanzierung des ÖPNV und der Bädergesellschaft durch den
städtischen Querverbund der TWD strategisch neu ausgerichtet werden. Das
kann u.a. durch die Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds für
kommunale Unternehmen, die Öffnung des KfW-Darlehen-Sonderprogramms für
kommunale Unternehmen und die Begünstigung von Investitionen hin zur
Brutto-Klimaneutralität der kommunalen Unternehmen erreicht werden.